Kein Durchkommen für den Geldtransporter: Kosovo schafft Fakten im Konflikt mit Serbien

Pristina ist entschlossen, Belgrads Einfluss im Land zurückzudrängen. Seit Anfang Februar ist der Gebrauch des serbischen Dinars verboten. Den Preis dafür bezahlt die serbische Minderheit.

Volker Pabst, Istanbul 4 min
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Viele Serben in Kosovo zahlen mit serbischen Dinar.

Viele Serben in Kosovo zahlen mit serbischen Dinar.

Valdrin Xhemaj / Reuters

Die Regierung in Belgrad kann keine serbischen Dinar mehr nach Kosovo schicken. Ein Geldtransporter der serbischen Zentralbank, der am Grenzübergang Jarinje seine Fracht für den Weitertransport einem Partnerunternehmen hätte übergeben sollen, musste am Mittwoch unverrichteter Dinge umkehren. Der kosovarische Zoll gestattete die Einfuhr nicht.

Wichtige Überweisungen aus Belgrad

Damit setzte Kosovo erstmals eine neue Regelung um, die für die serbische Minderheit im jüngsten Staat Europas weitreichende Konsequenzen hat. Die kosovarische Zentralbank hatte vor einigen Wochen angekündigt, dass ab dem 1. Februar auf dem ganzen Staatsgebiet die Landeswährung Euro das einzige legale Zahlungsmittel sei und Fremdwährungen nur noch über offizielle Kanäle eingeführt werden dürften.

Ethnische Siedlungsgebiete in und um Kosovo

Ethnische Siedlungsgebiete in und um Kosovo

Insbesondere im kompakten serbischen Siedlungsgebiet im Norden Kosovos ist bisher auch der Dinar weit verbreitet. Preise sind in der serbischen Landeswährung angeschrieben, Bancomaten geben serbische Geldscheine aus. Viele Angehörige der auf etwa 100 000 Personen geschätzten Minderheit bestreiten zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts mit Gehältern, Renten oder Unterstützungsleistungen aus Belgrad. Der serbische Staat hat die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz nie anerkannt und unterhält Parallelstrukturen für die Region.

Wenig Vertrauen in den Dialogprozess

Das Verbot des Dinar ist nicht der einzige Schritt der Regierung in Pristina, um endlich auf dem gesamten Staatsgebiet alle hoheitlichen Kompetenzen auszuüben. Zu Beginn dieser Woche versiegelten kosovarische Sicherheitskräfte in drei serbisch besiedelten Ortschaften die Räumlichkeiten der parallelen serbischen Gemeindeverwaltung. Bereits Ende Januar waren vier solche Büros geschlossen worden.

Der Ärger über Belgrads anhaltende Weigerung, die Staatlichkeit Kosovos anzuerkennen, war schon immer gross in Pristina. Stärker als seine Vorgänger ist der 2021 ins Amt gewählte Regierungschef Albin Kurti aber bereit, auch reziproke Massnahmen gegen Serbien zu ergreifen und unilateral Fakten zu schaffen.

Der mittlerweile gelöste Streit um Nummernschilder ist ein Beispiel. Kosovo verweigerte Fahrzeugen mit serbischem Kennzeichen die Einfahrt, weil Serbien keine kosovarischen Nummernschilder anerkannte. Dass er mit dieser Politik seine westlichen Partner vor den Kopf stösst, ficht Kurti nicht an. Im Streit um ethnisch albanische Bürgermeister in mehrheitlich serbischen Gemeinden verhängte die EU sogar Sanktionen gegen Kosovo.

Kurti hat wenig Vertrauen in den von der EU geführten Dialogprozess mit Serbien und gar keines in dessen Präsidenten Aleksandar Vucic, der seit Jahren eine Hinhaltetaktik betreibt. Kosovos Regierungschef ist nicht zu weiteren Konzessionen bereit, solange sich Serbien nicht glaubhaft auf eine Anerkennung des Staates zubewegt. Mit diesem Argument verweigert Kurti die Zustimmung zu einem Verband der serbischen Gemeinden, einer Art Teilautonomie, obwohl sich Pristina bereits vor mehr als zehn Jahren dazu verpflichtet hat.

Kritik am Vorgehen, nicht am Ziel

Kosovos westliche Verbündete bestreiten nicht Pristinas Recht, die staatliche Souveränität auf seinem Staatsgebiet durchzusetzen. Kritik gibt es aber an der Natur der Massnahmen, besonders wenn diese auf Kosten der serbischen Minderheit gehen. Der amerikanische Botschafter in Pristina etwa forderte Kurtis Regierung mehrmals auf, die Umsetzung des Dinar-Entscheids aufzuschieben.

Die meisten Serben in Kosovo haben den neuen Staat nie akzeptiert. Die jüngsten Massnahmen verstärken diese Ablehnung. Auch die Stationierung fast ausschliesslich albanischsprachiger Sondereinheiten im Minderheitengebiet trägt nicht zur Identifikation mit dem Staat bei. Dass Kurti im Verdacht steht, sich eher pflichtschuldig zu Kosovos multiethnischer Identität zu bekennen, rührt auch daher.

Der Regierung in Belgrad und den mit ihr verbündeten Kräften unter den kosovarischen Serben liefert das einen Vorwand, um von einer «gewaltfreien Vertreibung der Serben aus Kosovo» zu sprechen. Auf Antrag Serbiens fand zu diesem Thema am Donnerstag sogar eine Sondersitzung des Uno-Sicherheitsrats statt.

Das ist ein durchsichtiges Manöver. Wie viele kosovarische Serben selber zugeben, hat Belgrad weniger deren Interessen im Blick als die Bewirtschaftung der ungelösten Frage. Serbien trägt grosse Verantwortung für die latente Instabilität im Norden Kosovos. Die gewaltsamen Vorfälle in der Ortschaft Banjska im September haben dies erneut deutlich gemacht.

Kosovo dient Präsident Vucic seit je, um von Kritik von innen und aussen abzulenken. Serbische Regierungsgegner gehen weiter gegen die Unregelmässigkeit bei den Wahlen im Dezember auf die Strasse. Und das europäische Parlament diskutiert diese Woche einen Resolutionsentwurf mit der Forderung, Gelder an Belgrad zurückzuhalten, falls sich die Vorwürfe der Wahlmanipulation bestätigen sollten.

Pristina darf Bedürfnisse der Minderheit nicht ignorieren

Es bleibt aber die Frage nach einem Ausweg aus dem Konflikt. Die Denkfabrik International Crisis Group argumentiert in einem Bericht von Ende Januar, dass es keine Lösung gebe, wenn Pristina seinen berechtigten Kampf für die volle Souveränität auf Kosten der serbischen Minderheit führe. Eine Entmilitarisierung der Polizeiarbeit in den serbischen Gebieten, aber auch die Anerkennung der zentralen Bedeutung der serbischen Einrichtungen wären wichtige Schritte.

Schliesslich gebe es zurzeit weder auf dem Arbeitsmarkt noch im Bildungs- oder Gesundheitsbereich wirkliche Alternativen für die Serben im Land, schreiben die Experten der Crisis Group. Statt auf die Schliessung serbischer Schulen und Spitäler zu drängen – was noch nicht geschehen ist, aber durchaus vorstellbar ist – sollten diese ins kosovarische System integriert und so legalisiert werden. Eine Teilautonomie für die serbische Minderheit, die dieser eine Perspektive innerhalb des kosovarischen Staates biete, sei der aussichtsreichste Weg für eine Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina.