Ausgabe Mai 2022

Dokumentiert: »Was Russland mit der Ukraine tun sollte«

Timofej Sergejzew auf einem Kongress der polnischen »Bürgerplattform« (Platforma Obywatelska), Juli 2017 (IMAGO / ITAR-TASS)

Bild: Timofej Sergejzew auf einem Kongress der polnischen »Bürgerplattform« (Platforma Obywatelska), Juli 2017 (IMAGO / ITAR-TASS)

Bevor Wladimir Putin seine »Spezialoperation« gegen die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres begann, begründete er diese in einer längeren Rede mit einem angeblichen »Völkermord« an der russischsprachigen Bevölkerung im Osten des Landes. Außerdem kündigte der russische Präsident die »Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine« an, ohne allerdings im Detail zu beschreiben, was darunter genau zu verstehen sei.

Die vielleicht detaillierteste öffentliche Ausarbeitung einer planmäßigen »Entnazifizierung« der Ukraine publizierte am 3. April die staatliche Russische Agentur für internationale Informationen, RIA Nowosti. Sie stammt von Timofej Sergejzew, einem Politologen, Autor und Filmproduzenten, der der Ukraine schon früher wiederholt das Existenzrecht abgesprochen hatte und seit 2014 Kolumnist der vom Kreml kontrollierten Nachrichtenagentur ist (siehe das russische Original des Textes unter https://ria.ru/20220403/ukraina-1781469605.html). Da Dmitrij Medwedjew, von 2008 bis 2012 Präsident Russlands und heute Vizechef des russischen Sicherheitsrates, nur zwei Tage später einen ganz ähnlich gelagerten Artikel verfasst hat (siehe www.glasnarod.ru/news/dmitrij-medvedev-o-fejkah-i-nastoyashhej-istorii), kann davon ausgegangen werden, dass Sergejzews Text in seiner Grundausrichtung der staatlichen Linie entspricht.

Der Historiker und Osteuropa-Experte Timothy Snyder nennt dieses Manifest eine »Anleitung zum Völkermord«. Darin bezeichnet Sergejzew den »Ukronazismus« als eine »größere Bedrohung für den Frieden und für Russland als Hitlers Version des deutschen Nationalsozialismus«. Die Entnazifizierung der Ukraine werde unweigerlich eine Entukrainisierung sein. Angesichts der Eskalation der russischen Kriegsführung halten wir es für dringend geboten, dieses bedeutende Dokument dem deutschen Publikum zugänglich zu machen. Die Übersetzung stammt von Manfred Quiring. – D. Red.

Bereits im April vergangenen Jahres schrieben wir über die Unvermeidbarkeit der Entnazifizierung der Ukraine. Wir brauchen keine nazistische Bandera-Ukraine, einen Feind Russlands und ein Instrument des Westens, um Russland zu vernichten. Heute ist die Frage der Entnazifizierung in die Praxis umgesetzt worden.

Die Entnazifizierung ist notwendig, wenn ein bedeutender Teil des Volkes – höchstwahrscheinlich seine Mehrheit – vom Naziregime beherrscht und in dessen Politik hineingezogen wird. Das heißt, wenn die Hypothese „das Volk ist gut – die Regierung ist schlecht“ nicht funktioniert. Die Anerkennung dieser Tatsache ist die Grundlage der Entnazifizierungspolitik und aller ihrer Aktivitäten; und die Tatsache selbst ist ihr Gegenstand.

Die Ukraine befindet sich genau in einer solchen Situation. Die Tatsache, dass die ukrainischen Wähler für „Poroschenkos Frieden“ und „Selenskyjs Frieden“ gestimmt haben, sollte nicht in die Irre führen – die Ukrainer waren mit dem kürzesten Weg zum Frieden durch einen Blitzkrieg, den die letzten beiden ukrainischen Präsidenten bei ihrer Wahl offen angedeutet haben, durchaus zufrieden. Genau diese Methode der „Befriedung“ der Antifaschisten im Innern – durch totalen Terror – wurde in Odessa, Charkow, Dnepropetrowsk, Mariupol und anderen russischen Städten angewendet. Und das passte dem ukrainischen Durchschnittsbürger ganz gut.

Die Entnazifizierung besteht dagegen aus einer Reihe von Maßnahmen gegenüber der nazifizierten Masse der Bevölkerung, die technisch gesehen nicht direkt als Kriegsverbrecher bestraft werden kann. Nazis, die zu den Waffen gegriffen haben, sollten auf dem Schlachtfeld so weit wie möglich vernichtet werden. Es sollte kein signifikanter Unterschied gemacht werden zwischen der ukrainischen Armee und den sogenannten nationalen Bataillonen sowie den Milizen zur territorialen Verteidigung, die sich diesen beiden Arten von militärischen Formationen angeschlossen haben. Sie alle sind gleichermaßen an abscheulichen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung beteiligt, gleichermaßen verantwortlich für den Völkermord am russischen Volk und halten sich nicht an die Gesetze und Gebräuche des Krieges.

Kriegsverbrecher und aktive Nazis müssen hart und exemplarisch bestraft werden. Es muss eine vollständige Lustration (Reinigung) durchgeführt werden. Alle Organisationen, die sich mit der Praxis des Nazismus verbunden haben, müssen beseitigt und verboten werden. Neben den Spitzenkräften ist jedoch auch ein erheblicher Teil der Masse des Volkes schuldig, nämlich die passiven Nazis, die Kollaborateure des Nazismus. Sie unterstützten und umschmeichelten die Nazi-Regierung. Die angemessene Strafe für diesen Teil der Bevölkerung kann nur darin bestehen, dass die Betroffenen die Lasten hinzunehmen haben, die der gerechte Krieg gegen das nazistische System unvermeidlich mit sich bringt; die Lasten eines Krieges im übrigen, der mit Blick auf die Zivilbevölkerung nach Möglichkeit schonend und vorsichtig geführt wird.

»Die Entnazifizierung der Bevölkerung besteht in ihrer Umerziehung«

Die weitere Entnazifizierung dieser Masse der Bevölkerung besteht in der Umerziehung, die durch ideologische Unterdrückung nazistischer Einstellungen und strenge Zensur erreicht wird: nicht nur im politischen Bereich, sondern notwendigerweise auch im Bereich der Kultur und der Bildung. Durch Kultur und Bildung wurde die tiefgreifende Nazifizierung der Bevölkerung vorbereitet und durchgeführt, die durch das Versprechen von Dividenden aus dem Sieg des Naziregimes über Russland, durch Nazipropaganda, interne Gewalt und Terror gefestigt wurde sowie durch den achtjährigen Krieg gegen das Volk des Donbass, das sich gegen den ukrainischen Nazismus erhoben hatte.

Die Entnazifizierung kann nur vom Sieger durchgeführt werden, was voraussetzt, dass er (1) die unbedingte Kontrolle über den Entnazifizierungsprozess hat und (2) die Macht, diese Kontrolle zu gewährleisten. In dieser Hinsicht kann das entnazifizierte Land nicht souverän sein. Der entnazifizierende Staat – Russland – kann bei der Entnazifizierung nicht von einem liberalen Ansatz ausgehen. Die Ideologie des Entnazifizierers kann von dem Schuldigen, der entnazifiziert wird, nicht in Frage gestellt werden.

Wenn Russland die Notwendigkeit der Entnazifizierung der Ukraine anerkennt, bedeutet dies, dass das Krim-Szenario für die Ukraine als Ganzes unmöglich ist. Dieses Szenario war jedoch auch 2014 im aufständischen Donbas unmöglich. Erst acht Jahre Widerstand gegen die Gewalt und den Terror der Nazis führten zu einem inneren Zusammenhalt und zu einer bewusst unmissverständlichen Weigerung der Massen, irgendeine Art von Einheit und Verbindung zu einer Ukraine aufrechtzuerhalten, die sich selbst als eine Nazigesellschaft definierte.

Der Zeitrahmen für die Entnazifizierung kann auf keinen Fall kürzer sein als eine Generation, die unter den Bedingungen der Entnazifizierung geboren, heranwachsen und reifen muss. Die Nazifizierung der Ukraine hat über 30 Jahre gedauert – mindestens seit 1989, als der ukrainische Nationalismus legale und legitime Formen des politischen Ausdrucks erhielt und die Bewegung für die „Unabhängigkeit“ in Richtung Nazismus führte.

»Der Ukronazismus ist eine größere Bedrohung für den Frieden und für Russland als der deutsche Nationalsozialismus«

Die Besonderheit der heutigen nazifizierten Ukraine ist ihr amorpher und ambivalenter Charakter, der es ermöglicht, den Nazismus als Bestreben nach „Unabhängigkeit“ und einem „europäischen“ (westlichen, pro-amerikanischen) Weg der „Entwicklung“ (in Wirklichkeit – zur Degradierung) zu tarnen und zu behaupten, dass „es in der Ukraine keinen Nazismus gibt, sondern nur private sporadische Exzesse“. Es gibt keine führende Nazi-Partei, keinen Führer, keine vollwertigen Rassengesetze (nur eine abgespeckte Version in Form der Unterdrückung der russischen Sprache). Infolgedessen gibt es keine Opposition und keinen Widerstand gegen das Regime.

All dies macht den ukrainischen Nazismus jedoch nicht zu einer „Light-Version“ des deutschen Nationalsozialismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Gegenteil: Da der ukrainische Nazismus frei von solchen „Genre“-Rahmen und -Einschränkungen ist, entfaltet er sich frei als grundlegende Basis des gesamten Nazismus – als europäischer und, in seiner ausgeprägtesten Form, amerikanischer Rassismus. Daher kann die Entnazifizierung nicht auf kompromisshafte Weise auf der Grundlage einer Formel wie „Nato – nein, EU – ja“ durchgeführt werden. Der kollektive Westen selbst ist der Konstrukteur, die Quelle und der Sponsor des ukrainischen Nazismus, während die westlichen Bandera-Kader und ihr „historisches Gedächtnis“ nur eines der Instrumente für die Nazifizierung der Ukraine sind. Der Ukronazismus stellt keine geringere, sondern eine größere Bedrohung für den Frieden und für Russland dar als Hitlers Version des deutschen Nationalsozialismus.

Der Name „Ukraine“ kann offensichtlich nicht als Bezeichnung für ein vollständig entnazifiziertes Staatsgebilde auf einem vom Naziregime befreiten Gebiet beibehalten werden. Die in den von den Nazis befreiten Gebieten neu gegründeten Volksrepubliken müssen und werden aus der Praxis der wirtschaftlichen Selbstverwaltung und der sozialen Fürsorge, der Wiederherstellung und Modernisierung der Existenzgrundlagen der Bevölkerung erwachsen.

Ihre politischen Bestrebungen können in der Tat nicht neutral sein – die Tilgung der Schuld gegenüber Russland, weil es als Feind behandelt wurde, kann nur in Abhängigkeit von Russland in den Prozessen des Wiederaufbaus, der Erneuerung und der Entwicklung erfolgen. Ein „Marshallplan“ für diese Gebiete sollte nicht zugelassen werden. Es kann keine „Neutralität“ im ideologischen und praktischen Sinne geben, die mit einer Entnazifizierung vereinbar ist. Die Kader und Organisationen, die in den neuen, entnazifizierten Republiken Instrumente der Entnazifizierung sind, können sich nur auf die direkte Macht und organisatorische Unterstützung Russlands verlassen.

»Die Entnazifizierung wird unweigerlich eine Entukrainisierung sein«

Die Entnazifizierung wird unweigerlich eine Entukrainisierung sein – eine Absage an die von den sowjetischen Behörden eingeleitete künstliche Aufblähung der ethnischen Komponente der Selbstidentifikation der Bevölkerung in den Gebieten des historischen „Malorossia“ und „Novorossia“. Als Instrument der kommunistischen Supermacht blieb der künstliche Ethnozentrismus auch nach dem Fall des Kommunismus nicht herrenlos. In dieser Funktion wurde er von einer anderen Supermacht übernommen - der Supermacht des Westens. Er muss auf seine natürlichen Grenzen zurückgeführt und seiner politischen Funktion entledigt werden.

Im Gegensatz etwa zu Georgien und den baltischen Staaten ist die Ukraine, wie die Geschichte gezeigt hat, als Nationalstaat unmöglich, und Versuche, einen solchen „aufzubauen“, führen unweigerlich zum Nazismus. Das Ukrainertum ist eine künstliche antirussische Konstruktion ohne eigenen zivilisatorischen Inhalt, ein untergeordnetes Element einer fremden und entfremdeten Zivilisation. Die Entnazifizierung an sich wird nicht ausreichen, um die Ukraine zu entnazifizieren – das Bandera-Element ist nur Erfüllungsgehilfe und Vorwand, eine Maskierung für das europäische Projekt der Nazi-Ukraine, so dass die Entnazifizierung der Ukraine auch ihre unvermeidliche Ent-Europäisierung ist.

Die Bandera-Spitzenkräfte müssen beseitigt werden, es ist unmöglich, sie umzuerziehen. Der gesellschaftliche „Sumpf“, der sie aktiv und passiv durch Handeln und Nichthandeln unterstützt hat, muss die Härten des Krieges durchleben und diese Erfahrung als historische Lektion und Sühne für seine Schuld verarbeiten. Diejenigen, die das Naziregime nicht unterstützt haben, die unter ihm und dem Krieg, den es im Donbass entfesselt hat, gelitten haben, müssen konsolidiert und organisiert werden; sie müssen zur Stütze der neuen Regierung werden, sowohl vertikal als auch horizontal. Die historische Erfahrung zeigt, dass die Tragödien und Dramen der Kriegszeit den Völkern von Nutzen sind, die sich zur Rolle des russischen Feindes verführen und mitreißen lassen.

Die Entnazifizierung als Ziel der speziellen Militäroperation selbst wird als militärischer Sieg über das Kiewer Regime, die Befreiung von Gebieten bewaffneter Anhänger der Nazifizierung, die Beseitigung unversöhnlicher Nazis, die Ergreifung von Kriegsverbrechern und als die Schaffung der systemischen Voraussetzungen für eine spätere Entnazifizierung in Friedenszeiten verstanden.

»Die Organisation der lokalen Selbstverwaltung, der Polizei und der Verteidigung muss von nazistischen Elementen gesäubert werden«

Diese wiederum sollte mit der Organisation der lokalen Selbstverwaltung, der Polizei und der Verteidigung beginnen, die von nazistischen Elementen gesäubert werden und auf deren Grundlage die Gründungsprozesse zur Schaffung einer neuen republikanischen Staatlichkeit eingeleitet werden, wobei diese Staatlichkeit in enger Zusammenarbeit mit der russischen Entnazifizierungsbehörde (die neu geschaffen oder beispielsweise aus Rossotrudnichestvo hervorgehen wird) integriert wird und der republikanische Regelungsrahmen (Gesetzgebung) für die Entnazifizierung unter russischer Kontrolle angenommen wird, wobei die Grenzen und der Rahmen direkt festgelegt werden. In dieser Hinsicht sollte Russland als Hüter der Nürnberger Prozesse auftreten.

All dies bedeutet, dass zur Erreichung der Ziele der Entnazifizierung die Unterstützung der Bevölkerung notwendig ist, ihr Übergang auf die Seite Russlands nach der Befreiung von Terror, Gewalt und ideologischem Druck des Kiewer Regimes und nach der Aufhebung der informationellen Isolation. Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis sich die Menschen von dem Schock der Militäraktion erholt haben und von den langfristigen Absichten Russlands überzeugt sind und davon, dass „sie nicht im Stich gelassen werden“. Es ist unmöglich, im Voraus zu sagen, in welchen Gebieten diese Bevölkerungsmasse eine dringend benötigte Mehrheit bilden wird. Es ist unwahrscheinlich, dass die „katholische Provinz“ (Westukraine, die fünf Regionen umfasst) zu den pro-russischen Gebieten gehören wird. Wo die Linie der Entfremdung verläuft, wird jedoch durch Erfahrung herausgefunden.

Hinter dieser Linie wird eine Russland feindlich gesinnte, aber zwangsneutrale und entmilitarisierte Ukraine mit offiziell verbotenem Nazismus erhalten bleiben. Russlandhasser werden dorthin gehen. Eine Garantie dafür, dass diese Rest-Ukraine neutral bleibt, sollte die Androhung einer sofortigen Fortsetzung der Militäroperation sein, wenn die aufgeführten Anforderungen nicht erfüllt werden. Dies würde wahrscheinlich eine ständige russische Militärpräsenz auf dem Territorium des Landes erfordern. Von der Entfremdungslinie bis zur russischen Grenze läge dann das Territorium der potentiellen Integration in die russische Zivilisation, das in seinem inneren Wesen antifaschistisch ist.

»Die Entnazifizierung der Ukraine folgt in Friedenszeiten der gleichen Logik wie die militärische Operation«

Die Operation zur Entnazifizierung der Ukraine, die mit der militärischen Phase begann, wird in Friedenszeiten der gleichen Logik der Phasen folgen wie die militärische Operation. Auf jeder dieser Stufen müssen unumkehrbare Veränderungen erreicht werden, die das Ergebnis der entsprechenden Phase sind. Die notwendigen ersten Schritte der Entnazifizierung können wie folgt definiert werden:

  • Liquidierung der bewaffneten Nazi-Formationen (damit meinen wir alle bewaffneten Formationen der Ukraine, einschließlich der ukrainischen Streitkräfte) sowie der militärischen, informationellen und pädagogischen Infrastruktur, die ihre Tätigkeit gewährleistet
  • Bildung einer Volksselbstverwaltung und von Polizeikräften (Verteidigung und öffentliche Ordnung) in den befreiten Gebieten zum Schutz der Bevölkerung vor dem Terror der nazistischen Untergrundgruppen
  • Einrichtung des russischen Informationsraums
  • Rücknahme von Unterrichtsmaterialien und Verbot von Bildungsprogrammen auf allen Ebenen, die nazistische ideologische Haltungen verbreiten
  • Massenermittlungsaktionen zur Feststellung der persönlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbreitung der NS-Ideologie und Unterstützung des NS-Regimes
  • Lustration, Offenlegung der Namen von Kollaborateuren des Naziregimes und ihre Zwangsarbeit zum Wiederaufbau zerstörter Infrastrukturen als Strafe für Nazi-Aktivitäten (aus dem Kreis derjenigen, die nicht mit der Todesstrafe oder einer Haftstrafe belegt werden)
  • Verabschiedung von primären Entnazifizierungsmaßnahmen „von unten“ auf lokaler Ebene unter russischer Kuratel, die jede Form der Wiederbelebung der NS-Ideologie verbieten
  • die Errichtung von Gedenkstätten, Mahnmalen und Denkmälern für die Opfer des ukrainischen Nazismus und die Bewahrung des Andenkens an die Helden, die gegen ihn gekämpft haben
  • die Aufnahme einer Reihe von antifaschistischen und entnazifizierenden Normen in die Verfassungen der neuen Volksrepubliken
  • Einrichtung von ständigen Entnazifizierungsstellen für einen Zeitraum von 25 Jahren

Russland wird bei der Entnazifizierung der Ukraine keine Verbündeten haben. Denn dies ist eine rein russische Angelegenheit. Und auch deshalb, weil nicht nur die Bandera-Version der Nazi-Ukraine der Ausrottung unterworfen sein wird, sondern auch und vor allem der westliche Totalitarismus, die aufgezwungenen Programme der zivilisatorischen Degradierung und des Zusammenbruchs, die Mechanismen der Unterordnung unter die Supermacht des Westens und der USA.

»Russland muss endlich seine pro-europäischen und pro-westlichen Illusionen aufgeben«

Um den Plan der Entnazifizierung der Ukraine umzusetzen, muss Russland selbst endlich seine pro-europäischen und pro-westlichen Illusionen aufgeben, um sich als letzte Instanz des Schutzes und der Bewahrung jener Werte des historischen Europas (der Alten Welt) zu begreifen, die es verdient haben und die der Westen schließlich aufgegeben hat, nachdem er den Kampf um sich selbst verloren hatte. Dieser Kampf setzte sich im gesamten 20. Jahrhundert fort und manifestierte sich im Weltkrieg und in der Russischen Revolution, die untrennbar miteinander verbunden waren.

Russland hat im 20. Jahrhundert alles getan, um den Westen zu retten. Es verwirklichte das wichtigste westliche Projekt, die Alternative zum Kapitalismus, die die Nationalstaaten besiegte – das sozialistische, rote Projekt. Es hat den deutschen Nazismus zerschlagen, die monströse Ausgeburt der Krise der westlichen Zivilisation. Der letzte Akt des russischen Altruismus war Russlands ausgestreckte Hand der Freundschaft, für die Russland in den 1990er Jahren einen ungeheuren Schlag erhielt.

Alles, was Russland für den Westen getan hat, hat es auf eigene Kosten getan, indem es die größten Opfer gebracht hat. Der Westen lehnte schließlich all diese Opfer ab, wertete Russlands Beitrag zur Lösung der westlichen Krise ab und beschloss, sich an Russland für die selbstlos geleistete Hilfe zu rächen. Von nun an wird Russland seinen eigenen Weg gehen, ohne sich um das Schicksal des Westens zu kümmern, und dabei auf einem anderen Teil seines Erbes aufbauen: der Führungsrolle im globalen Entkolonialisierungsprozess.

Im Rahmen dieses Prozesses verfügt Russland über ein hohes Potential für Partnerschaften und Bündnisse mit Ländern, die der Westen jahrhundertelang unterdrückt hat und die nicht die Absicht haben, erneut sein Joch anzulegen. Ohne die Opfer und den Kampf Russlands wären diese Länder nicht befreit worden. Die Entnazifizierung der Ukraine ist gleichzeitig ihre Entkolonialisierung – eine Tatsache, die die ukrainische Bevölkerung verstehen muss, wenn sie beginnt, sich von den Gespenstern, Versuchungen und Abhängigkeiten der sogenannten europäischen Wahl zu befreien.

Aktuelle Ausgabe Mai 2024

In der Mai-Ausgabe analysiert Alexander Gabujew die unheilige Allianz zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping. Marion Kraske beleuchtet den neu-alten Ethnonationalismus und pro-russische Destabilisierungsversuche auf dem Balkan. Matthew Levinger beschreibt, wie Israel der Hamas in die Falle ging. Johannes Heesch plädiert für eine Rückbesinnung auf die demokratischen Errungenschaften der jungen Bundesrepublik, während Nathalie Weis den langen Kampf der Pionierinnen im Bundestag für mehr Gleichberechtigung hervorhebt. Und Jens Beckert fordert eine Klimapolitik, die die Zivilgesellschaft stärker mitnimmt.

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